Was zum Thema Mitarbeiter:innenbeteiligung Anfang Oktober – trotz intensiver Aufbereitung seitens aller Player der Startup-Szene und darüber hinaus – von unserer Bundesregierung präsentiert wurde (siehe: https://www.trendingtopics.eu/neue-mitarbeiterbeteiligung-ist-erst-mal-eine-steuerbefreite-erfolgspraemie-bis‑3–000-euro/) kann man in unserem Jargon wahrscheinlich nicht mal als MVP bezeichnen. Ich würde sogar so weit gehen, von „Mitarbeiter:innenbeleidigung“ zu sprechen, da man – wieder mal und typisch österreichisch – der/dem einzelnen nicht zutraut, mündig zu sein und eine bewusste Entscheidung für das eigene berufliche Weiterkommen zu treffen. Man versucht, Mitarbeiter:innen vor bösen Unternehmer:innen zu schützen. Es gibt Ängste, dass man beim monatlichen Gehalt Abstriche machen würde (trotz aller bestehenden Regulatorien dazu), um Mitarbeiter:innen dann auf andere, unsichere Art zu kompensieren, nämlich mit Unternehmensanteilen.
Aber gerade das würde es brauchen, um im vielbeschworenen „War for Talent“ national und international konkurrenzfähig zu sein. Es wurde nicht verstanden, was Arbeitnehmer:innen in hoch-gefragten Branchen/Position im 21. Jahrhundert wirklich suchen und teilweise aktiv einfordern: Ein Teil des Unternehmens zu sein, im wahrsten Sinn des Wortes. Und dass es im Regelfall in den ersten Jahren nach Firmengründung wohl keine auszuschüttenden Gewinne geben wird, sollte man nicht extra erklären müssen.
Aktuell ist es nämlich nur sehr umständlich möglich, Schlüssel-Mitarbeiter:innen abseits des Gründungsteams am Erfolg bzw. Verkauf eines Unternehmens zu beteiligen: Über so genannte ESOP (Employee Stock Ownership Plan) Vereinbarungen, wo virtuelle Anteile (Phantom Shares) vergeben werden, die weder in der aktuellen GmbH Struktur noch im Steuerrecht vernünftig abgebildet sind.
Daher ist eine flexiblere und modernere Rechtsform eine langjährige Forderung des Startup-Ökosystems, die somit auch neue Arten der Mitarbeiter:innenbeteiligung ermöglicht. Es geht dabei einerseits um gesellschaftsrechtliche Themen wie z.B. Anteile ohne Stimmrecht, als auch um steuerliche Themen, wo man nach einer Gleichstellung mit den Gründer:innen/Gesellschafter:innen/Investor:innen im Fall des Exits strebt. Konkret also eine Endbesteuerung mit dem begünstigten KeSt-Satz von 27,5% vorgenommen werden soll.
Das Thema ist im Übrigen nicht nur für Startups, sondern auch für zahlreiche KMU relevant, die ebenfalls im Mitbewerb nach den Talenten von morgen stehen. Und es sollen ja keine Arbeitnehmer:innen dazu verpflichtet werden, sondern ein zusätzlich Instrument für jene sein, die dies als sinnvoll oder sogar notwendig erachten.
Zusammengefasst: Die Schaffung einer einfachen, standardisierten, rechtssicheren und steuerfairen Lösung würde uns allen sehr viel bringen, wird aber seitens der Politik aktuell größtenteils negiert oder nicht verstanden.
Was auch gleich eine passende Überleitung zu einem anderen Thema aus dem Recruiting-Bereich bildet, die „Rot-Weiß-Rot-Karte“. Die bisherige Praxis wurde vorgestern von Hansi Hansmann richtigerweise als „Griff ins Klo“ bezeichnet, siehe: https://www.derstandard.at/story/2000131557679/start-up-investor-hansmann-rot-weiss-rot-karte-war-ein
Beim Lesen der zughörigen User-Kommentare fallen auch noch weitere Dinge auf:
- Das naive, teilweise erschreckende Bild, das viele Österreicher:innen noch immer von Unternehmer:innen im allgemeinen, von Startups im speziellen, haben. Wenn man was erreicht hat, gibt es Neid. Wenn man scheitert, wird gelacht. Generell weiß es jeder – wie bei Fußball & Co – natürlich selbst viel besser, obwohl man keinerlei praktische Erfahrungen dazu hat.
- Dass wir uns in einer doch recht kleinen Blase bewegen und auch breitenwirksame TV-Formate wenig zur Besserung beigetragen haben, da sie selbstverständlich Show-Charakter haben müssen und eine verzerrte Darstellung unserer Gründer:innen-Realität abgeben.
- Und zu guter Letzt: Das Thema „Kaufhaus Österreich“ ist nicht vergessen, was zahlreiche darauf bezugnehmende Posting zeigen. Wer meine Kommentare auf LinkedIn dazu kennt, weiß, dass es auch bei mir nachwirkt und in einer für mich bisher nicht sichtbaren Weise gezeigt habt, wie weit sich die Politik von unserer Realität entfernt hat. Eine Pressekonferenz ohne Produkt ist halt nur eine Pressekonferenz. 😉
In diesem Sinne: Es gibt noch viel für uns zu tun. Und jeder kann täglich etwas dazu beitragen: Unternehmertum fördern, wertschätzen und selbst leben.
Verfasser:
Gernot Singer; Gründer der kuboni GmbH, Business Angel & Vorstand der Austrian Angel Investors Association